Die Synagoge

Meek: Die Synagoge

Mit seinem Werk „Die Synagoge“, 1995 im Original und bereits 1996 in deutscher Übersetzung erschienen, legt der britische Architekturhistoriker H. A. Meek nicht nur einen prächtigen Bildband mit Illustrationen aus aller Welt und aus allen Jahrhunderten vor, sondern vermittelt dem Leser in guter angelsächsischer Tradition auf lebendige Weise und mit einer ordentlichen Prise Humor sein profundes kultur-, religions- und architekturhistorisches Wissen.

Als Einführung in die Welt der Synagogen wählt Meek einen sehr direkten Zugang: den Besuch in seiner eigenen kleinen orthodoxen Vorstadtsynagoge. Er schildert seine Vorbereitungen für den Gang dorthin, erzählt von den Menschen, die regelmäßig zum Gottesdienst zusammenkommen und von den Funktionen, die sie einnehmen. Er lässt den Leser in die Synagoge eintreten und ihn deren Gestaltungselemente wie mit eigenen Augen erblicken: die Sitzreihen zu beiden Seiten, das erhöhte Lesepult – die Bima –, den Toraschrein an der Ostseite mit den eingekleideten Gesetzesrollen, die Frauenempore. Minutiös und doch sehr lebendig werden alle rituellen Vorkehrungen, Kultgegenstände und Handlungen zum Sabbatgottesdienst geschildert, und wie zufällig wohnt der Leser an diesem Tage auch einer Bar-Mitzwa-Feier bei. Bereits in diesem ersten Kapitel versteht der Autor es, auch den mit der jüdischen Glaubenswelt unvertrauten Leser detailreich in diese Welt einzuführen und ihm die Bedeutung der Synagoge für gläubige Juden, besonders in der Diaspora, auf sehr persönliche Weise (und hier wie im gesamten Text daher auch durchaus subjektiv wertend) nahezubringen.

Um die Entstehungsgeschichte von Synagogen zu erklären, folgt ein fesselnder Abriss der biblischen Geschichte, der den Leser zunächst vom Bund Gottes mit den Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob bis hin zum Auszug des hebräischen Volkes aus der ägyptischen Gefangenschaft und Moses’ Empfangen der Gesetzestafeln auf dem Berg Sinai geleitet. Mit dem Bau des Tabernakels entsteht das tragbare Heiligtum des Nomadenvolkes. „Es war das erste Heiligtum, das die Hebräer überhaupt bauten, und damit der Vorläufer des Tempels in Jerusalem und letztlich auch jeder Synagoge“ (S. 28). Von hier führt die Geschichte über die Jahrhunderte zum Bau des Ersten (zerstört 586 v. Chr.) und des Zweiten Tempels in Jerusalem und die Zerstörung des letzteren im Jahre 70 n. Chr.

Meeks umfangreiche Beschreibung von 2000 Jahren Stilgeschichte der Synagoge, eingeordnet in die historischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge, lässt sich an dieser Stelle kaum angemessen zusammenfassen. In den Synagogenbauten wird die wechselhafte Geschichte der Juden in aller Welt widergespiegelt. Vom Ersten und Zweiten Tempel (nebst eines geschichtlichen Abrisses bis ins heutige Israel) führt uns der Autor unter anderem über Synagogenbauten der Antike (wie Alexandria) und des Mittelalters (z. B. Mainz, Speyer, Worms, Prag), die „Islamische Symbiose“ (Toledo, Córdoba), Renaissance- und Barockbauten (Venedig, Amsterdam), die historistischen Ausprägungen des 19. und 20. Jahrhunderts bis hin zur Moderne und zu heutigen Bauten in der Neuen Welt, wobei er sich aus einem schier unerschöpflichen Fundus an Bild- und Textquellen bedient.

Hier kann nur die Anregung gegeben werden, diesen bis in die Typographie hinein wunderbar gestalteten Band selbst zur Hand zu nehmen und sich in Text und Abbildungen zu vertiefen. Auch wer sich vor allem von den Illustrationen gefangen nehmen lässt, erhält allein schon durch die Bildunterschriften eine Fülle von wertvollen Informationen. Die Bebilderung umfasst farbenprächtige Fotografien des noch Bestehenden, Gesamt- und Detailansichten, historische Aufnahmen, Kupferstiche, Miniaturen, Malereien und Zeichnungen, Mosaiken, (Re)Konstruktionspläne, Grund-  und Aufrisse, Ansichten von Ausgrabungen und vieles andere mehr.

Vera Ibold (2014)

 

 

Bibliographische Angaben

H. A. Meek: Die Synagoge.
München: Knesebeck 1996, 240 S.

Signatur in der EZJM-Bibliothek:
D6 1 Mee

Last modified: 2022-03-29

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